Temnitschka
Kataloge
Katalog Werkserie "Plan B", Hrsg. Galerie Ulrike Hrobsky, 2025, Vorwort: Paula Marschalek und Ulrike Jakob
Katalog zur Ausstellung „Altes Eisen“ in der Galerie Ulrike Hrobsky, 13.Feb-21.März 2020
Hrsg. Galerie Ulrike Hrobsky, 2020, Vorwort: Andreas Hoffer
Katalog zur Ausstellung „Logbuch“ in der Galerie Alex Schlesinger 5. Jun-13.Jul 2019
Vorworte: Günther Oberhollenzer, Peter Bogner
Katalog zur Ausstellung „Transition“in der Galerie Ulrike Hrobsky 10.Nov-22.Dez 2017
Hrsg. Galerie Hrobsky, 2017, Vorwort: Günther Oberhollenzer
„TierFREUDen“ – eine Publikation mit Grafiken von Maria Temnitschka, die von Karin Seidner und Felix de Mendelssohn literarisch interpretiert werden, erschienen 2014
Katalog zur Ausstellung „Unter der Brücke“ in der Galerie Hrobsky, Wien und in der Galerie Schlesinger, Zürich
Hrsg. Galerie Hrobsky und Galerie Schlesinger, 2009, Vorwort: Mag. Silvie Aigner
Katalog zur Ausstellung „Rost“ in der Galerie Hrobsky, WienHrsg. Galerie Hrobsky, 2008, Vorwort: Mag. Carl Aigner
Katalog zur Ausstellung „Up & Down“ in der Galerie Hrobsky,Wien
Hrsg. Galerie Hrobsky, 2006, Vorwort: Mag. Sonja Traar

Ausgewählte Texte und Artikel
Andreas Hoffer, Kurator Kunsthalle Krems
Altes Eisen, der Titel der Ausstellung legt einen feinen, doppelbödigen Humor der Künstlerin offen, der auch, ganz subtil und manchmal für die Betrachter/innen kaum merklich, in ihrer Malerei zu finden ist. Ganz wörtlich gelesen ist er aber ein Verweis auf die Sujets dieser aktuellen Serie, monumentale Maschinen aus aufgelassenen Textilbetrieben. Kolosse der Industrialisierung. Noch nicht in slicken Verpackungen versteckte Funktion, völlig analog, stehen diese Maschinen in verlassenen , menschenleeren Räumen, stumme Zeugen einer ehedem lauten, betriebsamen Arbeitssituation, sind nun „altes Eisen“. Kein Mensch ist mehr zu sehen, nur noch Stoffreste als fragiler Gegensatz zur metallenen Wuchtigkeit, als zarte Erinnerung an ehemalige Funktionen. Man spürt auf einigen Gemälden die bedrängte Enge der Produktionshallen, die abseits aller Nostalgie sicher kein so angenehmer Arbeitsplatz waren, aber doch eben ein Arbeitsplatz. Die Situation der arbeitslosen Textilarbeiter/innen, vornehmlich Frauen, wird unsichtbar auch lesbar in diesen Bildern, auch die Frauen sind sozusagen zu „altem Eisen“ geworden.
Die kleinen Objekte, denen Temnitschka sich zudem widmet, Scheren, Schlüsselbünde, Nachttisch Lampen etc. bekommen bei ihr fast etwas von seltsamen Lebewesen, die manchmal auch in skurrile Beziehung zueinander treten, vor Tapeten gestellt, die einen feinen Hinweis zu ihrer Entstehungszeit geben.
Alles ist Malerei, Erfindung, Verdichtung, kompositorisches Bauen eines Bildes durch Form und Farbe. So real alles scheint, es ist doch die Realität nur die Anregung für die gemalte Welt, die es der Künstlerin ermöglicht, das Gesehene für die Zwecke der Malerei zu benutzen oder auch nicht. Ein Schatten beispielsweise wird nicht durch den realen Lichteinfall bestimmt, sondern auf Grund der Komposition eingesetzt, um eine Form herauszuheben, um der Malerei akzentuierte Spannung zu verleihen. Entdecken können die Betrachter/innen viel in der Malerei von Maria Temnitschka, schicken sie ihre Augen nur auf eine langsame Entdeckungsreise.
Paula Marschalek, Kunsthistorikerin und Kulturmanagerin
Räume zwischen Traum und Wirklichkeit // Räume im Wandel
Die in Wien und Niederösterreich lebende Künstlerin Maria Temnitschka setzt sich in ihrer großformatigen, farbintensiven Malerei mit dem Spannungsfeld von Raum und Zeit sowie Vision und Realität auseinander. In ihren Werken verschmelzen archaische Bauformen mit den Überresten unserer Gegenwart. Schrott, recycelte Materialien und Relikte moderner Technik verbinden sich mit uralten Strukturen zu surrealen Räumen, in denen sich Vergänglichkeit und Fortschritt, Hoffnung und Zerstörung überlagern.
Temnitschkas Kunst erzählt von einer Welt im ständigen Wandel. Eine Welt, in der die Natur unaufhaltsam in die von Menschen geschaffene Architektur eindringt, Mauern überwuchert, Strukturen aufbricht und Räume neu definiert. Steigende Wasserpegel, einst prächtige Bauwerke, die von der Natur zurückerobert werden, und fragmentierte Landschaften zeigen das fragile Gleichgewicht zwischen Mensch und Ökosystem. Spiegelungen, Brüche und Perspektivverschiebungen fordern die Wahrnehmung der Betrachtenden heraus, führen sie aufs Glatteis, irritieren und lassen sie hinterfragen, was wahr ist. Die Grenzen zwischen
Architektur und Natur, zwischen Konstruktion und Verfall verschwimmen. Temnitschkas faszinierende Kunstwerke zeigen eine fragile Welt und machen deutlich, wie sich die Erde sowohl durch menschliches Handeln als auch durch die unaufhaltsame Kraft der Natur verändert.
Mit vielschichtigen, tiefgründigen und symbolischen Bezügen zu gesellschaftlichen und politischen Realitäten erzählt die Künstlerin von einer Welt im Umbruch, in der Vergänglichkeit und Neubeginn, Zerstörung und Hoffnung eng miteinander verwoben sind. In ihren Bildräumen spiegelt sich nicht nur die Vergangenheit, sondern auch eine Zukunft, die ungewiss bleibt.
Claudia Aigner, Wiener Zeitung 3.3.2020
In Würde rosten
(cai) Was malt sie denn so, die Maria Temnitschka? Ach, fast nur Schrott. Das sollte jetzt keine Wertung sein, bloß eine Feststellung. Ihre Modelle haben großteils ausgedient. Und sind aus Metall. Nicht, dass die alle „impotent“ wären. So leidenschaftlich, wie die Zange da (rostig, aber rüstig) dem Zirkel in die Schraube beißt . . .
Der Titel der Ausstellung in der Galerie Hrobsky („Altes Eisen“) ist jedenfalls doppeldeutig. „Spielt auch ein bisschen auf die älter werdende Künstlerin an“, bekennt die gebürtige Niederösterreicherin (Jahrgang 1961). „Gehört man schon bald zum alten Eisen? Und ist das automatisch etwas, das nichts mehr wert ist?“ In einer stillgelegten Textilfabrik im Waldviertel hat sie nun ein paar vor sich hin korrodierende Langzeitarbeitslose angetroffen. Müde Maschinen, denen die Fäden und Fetzerln noch lethargisch aus den monströsen Walzen heraushängen, als hätte man ihnen abrupt den Saft abgedreht. Nichts bewegt sich mehr (tja, wer rastet, der rostet), lediglich die Zeit vergeht. Und Zeit ist bekanntlich das, was geschieht, wenn sonst nix passiert. Ein Kommentar zum Jugendkult auf dem Arbeitsmarkt? Mit dem Pinsel zeigt Temnitschka ihre Wertschätzung fürs „alte Eisen“, beseelt es und den ganzen Raum mit ihrer weichen, gefühlsbetonten Malerei und einem warmen Licht, verstärkt mitunter die Rost-Patina. („Dafür ist ja die Kunst da. Dass man die Dinge besonders sichtbar macht.“) Sie steht überhaupt auf verwaiste Orte. Und obwohl sie auf der Angewandten in Wien im Aktsaal unterrichtet: nirgends ein Zweibeiner. („In dem Moment, wo man einen Menschen hineinmalt, schaut der Betrachter nur mehr den Menschen an.“) Aber die Maschinen sind eh menschlich genug. Zumindest nicht sächlich.
Und die intimen Stillleben daneben sind sowieso Porträts. Von Überlebenden der Wegwerfgesellschaft. Die Generation 50 plus. Die Taschenlampe aus der Kindheit funktioniert noch super (das heutige Plastikglumpert ist ja gleich hin), der betagte Ventilator (von der Künstlerin liebevoll Lindbergh getauft) ist zwar ausgesteckt, surrt sonst freilich aufgeregt wie ein Propeller vor der Atlantiküberquerung. Und überall kleine Geschichten. Oder große Beziehungsdramen. Das geheime Leben der angeblich toten Dinge.
Mag. Günther Oberhollenzer, Kunsthistoriker, Autor, Direktor Künstlerhaus Wien
Häufig sehen wir einen weiten Horizont, ein ruhiges Meer, einen verlassenen Strand. Mit einem Hauch an Melancholie malt Temnischka einsame Naturlandschaften in ockerfarbigem Kolorit. Doch ihre Natur ist keine romantisch verklärter Sehnsuchtsort, keine unberührte Wildnis. Der Mensch ist immer schon da gewesen und hat unverkennbar seine Spuren hinterlassen – Spuren der sogenannten Zivilisation. Wir sehen einen ausrangierten Waggon beladen mit allerlei rostigem Unrat (wohin die Eisenbahnschienen wohl einmal geführt haben?), zwei wie zufällig abgestellte Gabelstapler mit einem Bohrturm im Hintergrund, eine zum Verkauf stehende Tankstelle, die wohl keinen neuen Besitzer mehr finden wird, ein löchriges Tragegestell, daneben, auf einer kleinen biederen Tischchen stehend, ein alter Röhrenfernseher. Wahrlich sonderbare Stillleben, skurril und rätselhaft, bisweilen auch unheimlich und nicht ohne Humor. Doch die Reste der Zivilisation wirken inmitten der Landschaften keineswegs wie Störfaktoren, sie gehen vielmehr fließend (auch farblich) in die Natur über, werden Teil von ihr. Immer wieder tauchen weiße oder auch rote Tücher auf, von Metallkonstruktionen herabhängend, aus Kartonschachteln herausquellend, am Boden liegend. Der Faltenwurf ist als ephemerer Moment flüchtig und vergänglich, in Temnitschkas Bildern wird er zur skulpturalen Form, von ihr malerisch festgehalten dem Verschwinden entrissen. Manche Szenerien erinnern an eine postapokalyptische Welt. Doch die Katastrophe ist schon längst Vergangenheit, nun ist wieder Frieden eingekehrt. Die Bilder strahlen eine große Ruhe und Stille aus. Temnitschka entwirft keine düsteren, pessimistischen Weltentwürfe, sondern eine abgeklärte Sicht auf die Endlichkeit der Dinge, vielleicht auch auf die eigene Sterblichkeit.
Menschen sind keine zu sehen, doch sie sind überall spürbar, in all den Tücher und Büchern, in den abgestellten Maschinen oder auch dem Untergang geweihten Papierschiff, das so kindlich leicht im Wasser zu schwimmen scheint… Die Spuren des Menschen machen ihn in seiner Abwesenheit sichtbar. Letztendlich geht es in den Bildern denn auch nicht um die Natur und Landschaft, nicht um die zurückgelassenen Objekte, Gerätschaften oder Häuserruinen. Es geht um den Menschen. Temnitschka Malereien sind Selbstporträts aber auch Porträts vom Menschsein an sich – malerische Zeugnisse, die uns viel von uns erzählen. Wir müssen nur genau hinschauen.